Der jungen Generation die Chance geben, Jesus zu begegnen
Soziale Medien sind fester Bestandteil unseres Alltags, gerade von Kindern und Jugendlichen. Viele wachsen ganz natürlich mit Instagram, TikTok und Co. auf. Doch diese Parallelwelt auf Smartphone-Displays hat Folgen – auch im echten Leben.
Das Magazin „Stern“ fand drastische Worte für die Entwicklung, die wir alle seit Jahren auch in den eigenen Familien beobachten: „Kinder sind in sozialen Medien extremen Inhalten ausgesetzt – langsam wird klar, wie schädlich das ist.“ In der Titelgeschichte beschreiben die Autoren die Welt von Kindern und Jugendlichen, die sich auf TikTok zu bizarren Mutproben verlocken lassen. Ihnen droht Orientierungslosigkeit. Wem kann ich noch vertrauen? Was ist noch wahr? Silke Müller, Schuldirektorin und Buchautorin, warnt: „Die Gefahr schwebt wie ein Damoklesschwert über jedem Kind.“
Diese Gefahr ist vielfältig und realer, als Viele meinen. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ recherchierte unter der Überschrift „TikTok und der Tod“, wie Kinder auf der Social-Media-Plattform zu gefährlichen Mutproben – so genannte „Challenges“ – verführt werden. Ein Auszug aus dem „Zeit“-Artikel: „Ein Abend im Januar. Arriani A. spielt mit ihrem jüngeren Bruder zu Hause in Wisconsin. Die Mutter ist nicht da, sie besucht eine Veranstaltung der Kirche. Der Vater ist im Keller. Arriani steigt in ihrem Zimmer auf eine Spielzeugtruhe, in der Hand eine Hundeleine aus Metall. Sie schnallt die Leine an die Schranktür, wie sie es auf TikTok gesehen hat. Legt ihren Kopf hinein, stößt die Truhe weg. Hängt nun einen halben Meter über dem Boden. Strampelt. Ihr Bruder ruft den Vater, der Vater ruft den Notarzt. Im Krankenhaus können die Ärzte das Mädchen wiederbeleben. Aber ihr Gehirn hat irreparable Schäden erlitten. Sie stirbt an den Folgen der Challenge.“
Was bringt Kinder und Jugendliche dazu, solche „Mutproben“ zu machen? Bei Vielen startet es mit unverfänglichen Videos. Damit aber liefern wir uns einem System aus, das von seinen Entwicklern strategisch angelegt wurde: Jeder Social-Media-Kanal will uns so lange wie möglich auf seiner Plattform halten. Auf ein angeschautes Video folgt das nächste, ein Bild jagt das andere.
Sehnsucht nach Vernetzung
Sem Dietterle, Jugendpastor in München, leitet – gemeinsam mit Freunden – die Social Media Night. Regelmäßig treffen sich junge Christen, die in den Sozialen Medien aktiv sind, um sich kennenzulernen und auszutauschen. Das passiert auch in lokalen Gruppen.
Sem, warum ist es wichtig, dass sich christliche Influencer regelmäßig treffen?
Sem: Auf Social Media sind sehr viele Einzelkämpfer, da sehr häufig der eigene private Account gepflegt wird und in den Gemeinden kaum Teams vorhanden sind. Daher nehmen wir eine große Sehnsucht nach Vernetzung wahr. Zugleich ist die Arbeit auf Social Media anstrengend, weil das Posten von guten Inhalten sehr aufwendig ist und die Creator (Ersteller) Anfeindungen ausgesetzt sind. Mich treibt an, dass wir Christen auf Social Media ermutigen und stärken, sodass sie nicht aufgeben und weiterhin mutig über ihren Glauben sprechen.
Wieviele Christen kommen zur Social Media Night und den lokalen Workshops und welche Reaktionen erhältst du auf die Veranstaltungen?
Bei der Social Media Night hatten wir die letzten Male immer 200-230 Gäste. Der Hauptteil der Besucher sind junge Menschen, die im Bereich Social Media starten wollen, ihren Gemeinde-Account leiten oder schon einige Zeit dabei sind, aber noch weiter wachsen wollen. Die Vernetzungsmöglichkeit ist bei fast allen einer der wichtigsten Punkte. Außerdem erhalten die Teilnehmer viele neue Impulse für ihre Arbeit.
Was ist deine persönliche Motivation, mit Menschen auf Instagram und Co. über den Glauben ins Gespräch zu kommen?
Meine Erfahrung ist, dass wir online mit viel mehr Menschen ins Gespräch über den Glauben kommen als offline. Die aktuellen Algorithmen spielen unsere Inhalte an Menschen aus, die oft nichts mit dem Christentum zu tun haben. Auf TikTok haben so tausende Jugendliche meine erstellten Inhalte über den Glauben gesehen und sogar mit Kommentaren darauf reagiert.
Danke für das Gespräch!
Medienkompetenz ist eine der dringendsten Aufgaben der Zukunft
Die Apps merken, wenn wir zu lange offline waren und schicken automatisch Botschaften, um uns zurück zu bringen. Der Algorithmus weiß, welche Vorlieben und Interessen wir haben, welche Dinge wir im Internet eingekauft haben. Und er bestimmt, welche Werbeanzeigen uns auf dem Bildschirm von Smartphone oder Laptop gezeigt werden. Passgenau abgestimmt auf das, was uns interessiert. Viele Jugendliche können sich diesem ausgeklügelten System nur noch schwer entziehen. Sie verbringen durchschnittlich etwa 60 Stunden in der Woche in einer Parallelwelt, in der Pose eingenommen wird, gut gelaunt, möglichst in Topform.
Was die Kameras nicht festhalten, sind die Gefahren, die von diesem gefährlichen Schein und der allgegenwärtigen Inszenierung ausgehen. Denn was wie Alltag wirken soll, sind oft Zerrbilder. Gesichter, die mit Bildbearbeitungsprogrammen manipuliert sind. Eine vermeintliche Normalität, die mit großem Aufwand kuratiert ist. Zu sehen ist, was gut angenommen wird. Denn Langeweile schafft kein Gefolge. Damit, so sagen es Psychologen und Forscher, setzt Instagram die Menschen unter Druck. Und zwar deutlich stärker, als ihnen bewusst ist.
Das ist das „Damoklesschwert“ der Sozialen Medien, von dem die Pädagogin Silke Müller spricht. Der Druck, in einer Welt zu „leben“, die unsere Realität ausblendet. So sein zu wollen wie andere. Das zu erleben, was mir auf Instagram oder TikTok als Normalität und Erlebnis präsentiert wird. Wie eine der endlosen „Mutproben“, die Jugendliche wie fremdgesteuert nachmachen. Ihnen einen Vorwurf zu machen, greift dabei zu kurz. Viel wichtiger ist es, konsequent aufzuklären, welche Mechanismen den Sozialen Medien zugrunde liegen.
Da Kinder und Jugendliche heute in einer Welt der Sozialen Medien aufwachsen, die für sie spannend und faszinierend ist, müssen sie gut „gewappnet“ sein für das, was über die Medien auf sie einströmt. Sie sollten sinnvoll mit Medien umgehen können. Kinder und Jugendliche hierbei so zu begleiten und zu unterstützen, dass sie die notwendige Medienkompetenz entwickeln, sehen wir als eine der wichtigsten Aufgaben unserer christlichen Medienarbeit. In Seminaren, Workshops und Vorträgen schulen wir im Umgang mit Sozialen Medien.